Gefährliche Komplexität: Vorträge zum Thema Nord-Irak und IS

Als Mittelpunktveranstaltungen des Landesverbandes Sachsen führte die Reservistenkameradschaft Leipzig-Leutzsch im Rahmen ihrer sicherheitspolitischen Vortragsreihe zwei Abendveranstaltungen, die sich mit dem Themenbereich Kampf in Syrien und Islamischer Staat befassen, im Gohliser Schlösschen in Leipzig durch.

Der erste Abend stand unter dem Thema „Operation Inherent Resolve – Ausbildung der Peshmerga im Irak“. Der Referent, Oberst i.G. Georg Oel, Chef des Stabes im Ausbildungskommando des Heeres in Leipzig, berichtete über seine Eindrücke und Erfahrungen als Führer des deutschen Einsatzkontingentes der Ausbildungsunterstützung im Nordirak und als Kommandeur des Kurdistan Training Coordination Center (KTCC) aus dem ersten Halbjahr 2017.

Oberst i.G. Oel wies darauf hin, dass Deutschland mit diesem Einsatz „Neuland“ betrat: „Eine Mission ohne UN / NATO – Mandat, in einer „coalition of willing“ kombiniert mit Ausrüstungslieferungen in ein Krisengebiet.“ Der Name Milan stehe mittlerweile weit oben bei den Namen der Neugeborenen und sei das Symbol für die deutsche Hilfe.  Die Arbeit und Kapazität des KTCC war so ausgelegt, dass ca. 1.400 Personen pro Tag ausgebildet werden konnten. Oberst i.G. Oel führte dabei exemplarisch Ausbildungsgänge wie Stabsdienst, Kfz-Ausbildung und Waffeninstandhaltung auf, sprach aber auch den Ausbildungsabschnitt „Wider Area Security“ an, der die kurdischen Kräfte befähigen soll, ihr Territorium gegen Terroristen abzusichern.

Unter dem gemeinsamen Nenner „Defeat Daesh“ beteiligen sich zahlreiche Nationen mit teilweise unterschiedlichen Zielsetzungen und teilweise auch ökonomischen und energiepolitischen Interessen.

Der „Islamische Staat“ (IS), der im Gefecht um Mossul mit ca. 5.000 Kämpfern aus zahlreichen Ländern beteiligt war, wurde dort militärisch besiegt.  Die vielfältigen, weiterhin bestehenden Spannungsfelder in der Region wären jedoch nur im Rahmen eines ganzheitlichen Lösungsansatzes unter einer internationalen Kontrolle aufzulösen. Diese Herausforderung müsste u.a. politisch durch eine konstruktive Zusammenarbeit der Großmächte Vereinigten Staaten und Russland unter Einbeziehung der Hegemonialstaaten Türkei, Saudi-Arabien und dem Iran gelöst werden. Eine Idee, die mit Blick auf die beteiligten Staaten und ihrer unterschiedlichen machtpolitischen Interessen in der Region kaum realisierbar erschien.

Darüber hinaus fehlt nach Ansicht von Oberst i.G. Oel vor allem bei den Beteiligten in der Region, die sich aus unterschiedlichen Religionen und Ethnien zusammensetzen, derzeit die Basis für eine friedliche Koexistenz, der Gedanke an Versöhnung bzw. der Wille, dem Anderen die Gräueltaten zu verzeihen.

Für den zweiten Abend stand Dr. Ulf Brüggemann, Referent an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin, zur Verfügung.

Er wies die Zuhörerschaft in die Entstehungsgeschichte des sogenannten Islamischen Staates als ursprüngliche Filiale von Al Qaida über den Bruch mit der Mutterorganisation und der Ausrufung des Kalifats bis hin zu seinen Ausprägungen in der Gegenwart ein. „Der IS greift uns an, weil wir ihn angreifen.“, argumentierte er. Die ursprüngliche Ausrichtung des IS habe allein der Region Irak/Syrien gegolten. Auf Grund der Luftangriffe der USA auf den IS und der Bildung der Anti-IS-Koalition im Spätsommer 2014 habe die IS-Führung entschieden, auch den Kampf gegen die sog. „Kreuzfahrerstaaten“ aufzunehmen.

Dr. Brüggemann charakterisierte das Vorgehen des IS als einen asymmetrischen Kampf mit dem Ziel der Zivilbevölkerung: permanente Anschläge gegen „weiche“ Ziele ohne präzise Steuerung. Neben logistisch sehr aufwändigen Anschlägen wie Paris präferiert der IS jetzt eine Art des „dezentralen Jihad“. Die Anhänger des IS in den westlichen Ländern sind aufgerufen, Anschläge zuhause in ihren Heimatländern durchzuführen. „Der IS weiß selbst nicht, wann der nächste Anschlag kommt“, erklärte er den Anwesenden und machte unter anderem auch auf die Gefahr aufmerksam, die zukünftig von den Kindern der IS-Kämpfer, die mit dem Gedankengut des Kampfes gegen den Westen aufgezogen werden, auch hier bei uns ausgehen kann.

In den anschließenden Diskussionen zeigte sich bei beiden Vorträgen eine rege Beteiligung der Anwesenden, die mit der Aufforderung endete, diese Vortragsreihe fortzusetzen.